Mamuthones und Issohadores

Folklore und Faszination

Die Wiederentdeckung der sardischen Masken
Studien zur Tradition des Karnevals auf Sardinien sind eher jüngeren Datums. 1951 vermutete zum Beispiel der Historiker Raffaello Marchi aus Nuoro, dass die Zeremonien einen Sieg der Hirtenvolkes aus der Barbagia (die Issohadores) über die Mohren (die Mamuthones) darstellten. Im Laufe der Zeit entwickelten sich weitere, anderslautende Theorien. So haben die Traditionen bis ins Heute eine enorme, aber gleichwohl respektvolle, folkloristische Verwandlung durchgemacht. Seit einigen Jahren sind die sardischen Karnevalsfeste nicht mehr auf die Dimension der Dorfgemeinschaft beschränkt, sondern sind faszinierende und beeindruckende Events geworden, die Reisende aus Sardinien und der ganzen Welt anziehen.

Mamuthones und Issohadores

Die Protagonisten des traditionellen Karnevals in Mamoiada
Ohne Mamuthones und Issohadores kann es keinen Karneval geben. Das ist eine feste Überzeugung der Einwohner von Mamoiada. Diese Gewissheit gibt dem Fest eine Bedeutung, die sich in dem rituellen Ankleiden, der vestizione, manifestiert – vor allem, wenn die Maske, sa visera, angelegt wird. Dann verlieren die Protagonisten ihre Identität und ihre Sprache. Während des Umzugs durch die Straßen, der vom Nachmittag bis zum späten Abend dauert, achten sie darauf, wenig zu trinken und zu essen – vielleicht in Erinnerung an das Fasten, das historisch mit der Karnevalszeit verbunden ist. Der Ritus der Masken aus Mamoiada hat im Laufe der Zeit einige kulturelle Überlagerungen und Veränderungen erfahren, die sich jeweils auf verschiedene Zeitpunkte in der Geschichte beziehen, in einer ständigen Verflechtung der historischen Zeit mit der mythologischen Zeit. Sehr wahrscheinlich hat das Fest seinen Ursprung in einer vorchristlichen, landwirtschaftlichen Kultur und in Unheil abwehrenden Ritualen, mit denen böse Geister von Menschen und Tieren vertrieben werden sollten. Dies zu einer Zeit, als die Menschen eine Vorstellung von Leben und Tod hatten, die sich sehr von derjenigen unterschied, die später durch das Christentum eingeführt wurde. Durch unsere Vorfahren wurden diese Bedeutungen im Laufe der Zeit noch erweitert. In jedem Fall bewahrt der Ritus der Mamuthones und Issohadores bis heute die Erinnerung an eine uralte Zeremonie, die später von der Kirche als Allegorie und karnevaleske Maskerade diskreditiert wurde.

Die Mamuthones

Die berühmteste der sardischen Karnevalsfiguren
Ohne Zweifel ist der Mamuthone die bekannteste Figur des Karnevals in Mamoiada und vermutlich sogar aus ganz Sardinien. Seine charakteristische Kleidung hat viele Bestandteile: ein Anzug aus dunklem und samtähnlichen Stoff, auf dem Kopf sitzt die Kopfbedeckung der Männer, su bonette genannt. Dazu der schwarze Fellumhang, sa pedde; die Lederstiefel der Hirten, sos husinzos und natürlich sa visera, die anthropomorphe, schwarze Maske aus Holz, umschlungen vom Kopftuch su mucadore. Bemerkenswert aber ist die Last, sa càrriga, die auf dem Rücken der Mamuthones festgeschnallt wird: Sie besteht aus schweren Viehglocken, den campanacci, die bis zu 25 Kilogramm wiegen können. Einige Anthropologen interpretieren den schweren Schritt der Mamuthones, mit dem sie den Erdboden energisch zu zertrampeln scheinen, als Aufforderung zum Erwachen und zur Produktivität. Eine Bewegung, die den charakteristisch schallenden Klang erzeugt, dessen Kraft durch die Choreografie der Parade verstärkt wird.

Die Issohadores

Die acht Hüter des Karnevals in Mamoiada
Die Zahl der Issohadores ist geringer als die der Mamuthones, und sie bewegen sich nur scheinbar ohne Ordnung: Ein Issohadore steht an der Spitze der beiden Reihen Mamuthones, einer in der Mitte und einer dahinter, während die anderen sich in zufälliger Reihenfolge mit einem viel flinkeren Schritt als dem der Mamuthones bewegen. Während der Parade werfen sie das Seil, das sie in den Händen halten – sa soha – in das Publikum, um vorzugsweise Frauen und Mädchen zu fangen. Eine glücksbringende Geste und, nach Meinung einiger Gelehrter, ein Fruchtbarkeitssymbol.
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